Die Überlieferung unseres Namens im Mittelalter und in der frühen Neuzeit ist sehr vielgestaltig. Offensichtlich haben manche Schreiber versucht, den Namen auf ihre Weise zu deuten oder ihn an bekannte Namenskonventionen anzuschließen. Dies wäre etwa der Fall bei der Schreibung Gau-Spießheim (Anschluss an die Gau -Namen wie Gau-Algesheim, Gau-Bickelheim, Gau-Weinheim usw.) oder Geiß-Spießheim (Anschluss an das Wort Geiß ). Auch Bildungen mit -bold- (Geisboldsheim u. ä.) begegnen, bei denen Anschluss an Personennamen auf -bold hergestellt wurde.
Eine kleine Auslese von historischen Belegen mit Angabe des Belegdatums soll diese Vielfalt erläutern.
1083 Geisbodesheim; 1140 Geisbotesheim; 1145 Geisbodesheim; 1184 Gesbosheim; 1240 Gesbodesheim; 1244 Geispitzheim (viele weitere Belege bis in das 18. Jh.); 1260 Geisposheim; 1262 Geispodisheim; 1304 Geispesheim; 1313 Geyspesheim; 1325 Geipesheim; 1433 Geispisheim; 1497 Gaispitzheim; 1583-1743 Gauspitzheim; 1604 Gaubßheim; 1624 Gäbspitzheimb; 17-20 Jh. Gabsheim.
Entnommen sind
die Belege folgenden Werken:
Weber, Friedrich
Wilhelm : Die Adelsfamilie von Geispitzheim in der Nordpfalz. Mit Nachrichten
über ihre Herkunft im Rheinhessischen. Kirchheimbolanden 1992.
Kaufmann, Henning:
Rheinhessische Ortsnamen. München 1976.
Palzer, Georg:
Gabsheim in Vergangenheit und Gegenwart. Gabsheimer Chronik. Maschinenschriftliches
Manuskript, 625 S. Gabsheim 1927.
Diese Vielfalt
ist nicht leicht zu erklären, denn es findet sich keine eindeutige Entwicklung,
die in klarer zeitlicher Folge stufenweise auf unsere heutige Form hinführt.
Auch bei Belegen in gleichem räumlichen Bezug gibt es keine klare Linie.
Hier können die in Stein gehauenen Original-Belege an der Kirche von
Gabsheim als Beispiel dienen. Denn hier finden sich Grabdenkmäler des
hier ansässigen Adelsgeschlechts, nämlich das Geschlecht derer
von Geispitzheim,
die in Gabsheim bis zur Mitte des 18. Jh. Besitzungen
hatten, die aber darüber hinaus in Rheinhessen und in der Pfalz an
vielen
Orten bezeugt sind (mehr dazu im oben erwähnten Buch von Friedrich W.
Weber). Nun sind an der Kirche von Gabsheim Grabdenkmäler zu sehen,
die sich vor 1500 im Inneren der Kirche befanden, danach an der
Außenseite
des Chores eingemauert wurden. Grabdenkmäler von Geispitzheimern finden
sich auch an der Kirche von Bechtolsheim, in der Kirche von
Gau-Odernheim, an un in der Bergkirche in Ober-Ingelheim und auch
in der Pfalz.
Auf den insgesamt
11 Epitaphen an der Gabsheimer Kirche kommt zwischen den Sterbejahren 1326
bis 1420 neunmal der Orts- bzw. Geschlechtsname vor. Wer in der Chronik von
Georg Palzer oder in dem Führer zur Gabsheimer Kirche die dort transliterierten
Inschriften dieser Epitaphe nachliest, wird meinen, dass dort immer Geyspitzheim
stünde, wer sich aber die gemeißelten Inschriften selbst ansieht,
wird dort mindestens vier verschiedene Schreibweisen entdecken: Geyspysheym
(1326), Geyspisheim (1334, 1346, 1355, 1369, 1380), Geispisheim
(1357, 1420) und Geyspensheim (1366). Die Grabplatte mit der frühesten,
Gabsheim betreffenden Inschrift ist die für den Pfarrer Heinrich Bube,
gestorben 1326. Auf der Abbildung links ist deutlich zu lesen Geyspysheym.
Die gesamte lateinische Inschrift lautet (in Klammern die Auflösung der Abkürzungen): + A(NNO) • D(OMI)NI • MIL(LESIMO) • CCC • XXVI • XV • K(A)L(ENDIS) • SEPTEMBRIS • O(BIIT) • HENRIC(US) • BVBE • PASTOR • IN • GEYSPYSHEYM. Übersetzt: Im Jahr des Herrn 1326, am 18. August starb Heinrich Bube, Pfarrer in Gabsheim. Nach der Chronik von Georg Palzer und in dem Führer zur Gabsheimer Kirche findet sich noch: HIC FUIT EX GENERE NOBILI 'Er war aus adliger Familie', ein Zusatz, der aber nicht auf dem Epitaph steht, sondern in der ersten Beschreibung dieser Epitaphe von Georg Helwich aus dem Jahr 1616. Da zu Füßen des Pfarrers Heinrich Bube aber das Wappen der Geispitzheimer mit den drei gezackten Bändern zu sehen ist, liegt es nahe, dass er auch aus dieser adligen Familie stammte.
Die häufigste
Schreibweise auf den Gabsheimer Epitaphen ist Geyspisheim. Die nebenstehende
Abbildung stellt einen Ausschnit aus dem Epitaph der Erlindis, der Gattin
des Gotefrid dar, auf dem der Name Geyspisheim deutlich zu lesen ist.
Die gesamte lateinische Inschrift lautet: + ANNO • D(OMI)NI • M • CCC
• LXIX • VIII • YD(US) • OCTOBR(IS) • O(BIIT) • ERLINDIS • UXOR • [GOTFRIDI]
• D(I)C(T)I • BVBE AR(MIGER) • DE • GEYSPISHEIM (Das GOTFRIDI ist heute verwittert,
daher ist es hier eingeklammert). Übersetzt: Im Jahr des Herrn 1369,
am 8. Oktober, starb Erlindis, Gattin des Edelknechts Gottfried, genannt
Bube von Gabsheim.
Wir sehen hier an
den Grabdenkmälern schon, dass der Name Geyspisheim einerseits
eindeutig als Ortsname gebraucht werden kann (z. B. Pfarrer in Gabsheim),
andererseits aber schon deutlich als Geschlechtsname (genannt Bube von Gabsheim),
nämlich des Geschlechts derer von Geyspisheim . Er ist also so
etwas wie Orts- und Familienname. Die in unserem Falle sehr gute Namenüberlieferung
rührt nicht zuletzt daher, dass die aus Gabsheim stammende Familie sich
außerhalb ihres Stammortes weitere Güter und Besitzungen erworben
und sich dort kräftig vermehrt hat und daher in vielen Urkunden des
rheinhessisch-pfälzischen Raumes bezeugt ist. Dies ist aber auch eine
Erklärung für die vielen Varianten, denn der Name war schon bald
losgelöst von der Entwicklung des Ortsnamens und hat sich außerhalb
als "Familienname" in ursprünglicherer Form erhalten. Er hat sich sozusagen
versteinert, während der Ortsname im lebendigen Sprachgebrauch immer
weiter entwickelt wurde. Es dauert lange, bis der tatsächlich gesprochene
Ortsname auch Eingang in die amtlichen Schreibungen findet: So soll bei Georg
Palzer eine Urkunde von 1698 erwähnt sein mit: Geispitzheim vulgo
Gabsheim, d. h.: Geispitzheim vom Volk Gabsheim genannt.
Im Folgenden soll versucht werden, die sprachliche Entwicklung von Geisbotesheim zu Gabsheim nachzuzeichnen.
Die Entwicklung von Geisbotesheim zu Gabsheim
1. Schritt: Die Abschwächung innerhalb des unbetonten Mittelteils: Geisbodesheim > Geisbesheim
Wegen der Anfangsbetonung in Géisbotesheim werden die mittleren Silben schwach artikuliert und unterliegen so leicht einer Abschwächung. Zunächst wird die Genitivendung abgeschwächt: Geisbotesheim > Geisbotsheim. Durch die schwächere Artikulation wird auch der volle Vokal o zu einem palatalen Vokal e oder i bzw. zu einem entsprechenden Murmellaut abgeschwächt (Geisbetsheim bzw. Geisbitsheim). Die hiervon abzuleitende traditionelle Schreibweise Geispitzheim ist wohl an spitz, Spitze angelehnt. Dies ist auch die Form, die mit ihren orthographischen Varianten in den Quellen am häufigsten bezeugt ist und quasi die Standardform des Adelsnamens von Geispitzheim darstellt, wie er in Adelsverzeichnissen, Wappenbüchern und geschichtlichen Darstellungen vorherrscht. In einer weiteren Abschwächung wird nun die Affrikate ts zur Spirans s vereinfacht: Geisbetsheim/Geisbitsheim > Geisbesheim/Geisbisheim. Die so in der Theorie ermittelten Formen Geisbesheim, Geisbisheim sind aber tatsächlich auch belegt und zwar 1313 als Geyspesheim und an Gabsheimer Grabsteinen (ab 1326) und anderswo als Geispisheim, Geyspisheim u. ä. Henning Kaufmann geht in seinen "Rheinhessischen Ortsnamen" bei der Darstellung zu Gabsheim auch von Abschwächung und Schwund aus und kommt sprachlich zum selben Ergebnis, allerdings auf einem anderen Weg: "In den tonlosen Mittelsilben des Ortsnamens: -bodes- konnte das zwischenvokalische -d- schwinden; daher -bodes- > -bos- > -bes-" (S. 73). Grundsätzlich könnte es auch so gewesen sein, doch wie erklärt man dann den Namentypus Geispitzheim?
2. Schritt: Dissimilation und Schwund von s: Geisbesheim > Geibsheim
Das bisher vorliegende Produkt des Sprachwandels, nämlich Geisbesheim, macht nun einen weiteren Wandel durch, den man in der Sprachwissenschaft als "Dissimilation" bezeichnet. Hiervon werden zwei benachbarte gleiche Laute betroffen, wobei einer von ihnen verändert wird. Im Sonderfall kann diese Veränderung auch darin bestehen, dass der Laut einfach schwindet. Dies ist hier bei uns der Fall: Von den beiden s, die in benachbarten Silben stehen, schwindet das erste: Geisbesheim > Geibesheim. Auch diese Form ist wieder historisch bezeugt: 1325 Geipesheim. Dann wird wieder eine unbetonte Silbe abgeschwächt, aus Geibesheim wird Geibsheim.
3. Schritt: Mundartlicher Wandel von ei zu åå : Geibsheim > Gabsheim
Die letze Veränderung ist mundartlichen Urspungs. In rheinhessischen und pfälzischen Mundarten wird altes ei teilweise zu ee, ää oder aa bzw. åå (ein dunkles a). Also Seife als Seef, Sääf, Saaf, Sååf. Die Mundart von Gabsheim hat in diesen Fällen ein åå, also z. B. Ååmer, brååd, Flååsch, Gåås, Såål, wååsch für Eimer, breit, Fleisch, Geiß, Seil, weich. So wurde auch der Ortsname von Geibsheim zu Gabsheim. Dies ist die heutige amtliche Form. In der Mundart ist aber die Entwicklung noch weiter gegangen, denn hier greift nun wieder einmal die uns nun schon sattsam bekannte Abschwächung in unbetonten Nebensilben: aus Gååbsheim wird Gååbsem, Gååbsm.
Nun noch einmal der gesamte Lautwandel "am Stück":
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© Rudolf Post, Juli 2002