Der Ortsname Gabsheim
2. Namendeutung

Dorfansicht
Der in den Schreibungen Caisbotesheim, Keisbotesh(eim), Gesbotsheim, Cheisbotesheim des Lorscher Codex zutage tretende Namentyp gehört zu den in Rheinhessen sehr stark vorherrschenden Heim-Namen, die aus den Zeiten der germanischen Besiedlung Rheinhessens stammen. Nur wenige Ortsnamen in Rheinhessen, wie Alzey, Worms, Mainz, Bingen, Olm, Finthen stammen noch aus der vorgermanischen (galloromanischen) Zeit. Die meisten Namen sind späteren Ursprungs. In der populären Literatur werden Orte mit Heim-Namen als typisch fränkische Gründungen angesehen, während Namen auf -ingen als typisch alemannisch gelten. Die neuere Forschung sieht dies differenzierter. Hier hat man erkannt, dass die -ingen- und -heim-Namengebung zwei verschiedenen Benennungsprinzipien folgen. So vertritt nämlich das -ingen-Prinzip eine frühe germanische, auf (wandernde) Personengruppen bezogene Benennung (das Suffix -ingen signalisiert eine Zugehörigkeit: "bei den Leuten des ..."), während -heim eine auf Wohnstätten bezogene Benennung (heim bedeutet ursprünglich "Lager, Gruppensiedlung, Wohnort, Heimat") darstellt, die sich bei den Germanen erst unter römischem Einfluß durchsetzte. Da das Frankenreich weit in ehemals römische Siedlungsgebiete hineinreichte, herrscht auch hier die -heim-Namengebung vor. Es gibt aber aus früherer Zeit Beispiele, dass ein und der selbe Ort zur gleichen Zeit mit -ingen und mit -heim benannt wurde (z. B. Sigmaringen neben Sigmarsheim).

Der typische Heim-Ortsname besteht in der Regel aus Personenname + (Genitivendung) + heim. Dies ist auch bei Gabsheim der Fall. Die frühen Namensbezeugungen deuten auf einen Personennamen Gaisbot, Gaisbod hin. Die ursprüngliche Form des Ortsnamens wäre also so zu beschreiben:
 

Personenname + Genitivsuffix + heim
Gaisbot + es + heim
'Heim des Gaisbot'

Auch der Name Gaisbot läßt sich weiter erklären: Wie alle typischen germanischen Personennamen ist er zweigliedrig (z. B. Sieg-fried, Dank-wart, Volk-mar, Hilde-gard, Hed-wig usw.). Diese Zweigliedrigkeit ist aus dem Indogermanischen ererbt und begegnet auch in altindischen, griechischen, keltischen, altslawischen Namen. Die Namenglieder sind in der Regel Substantive oder Adjektive, die in der Welt der damaligen Namensträger eine große Bedeutung hatten: Recht, Herrschaft, Beratung, Besitz, Volk, Tiere, Waffen, Kampf. Offensichtlich wurden in früher Zeit, bei den Germanen beide Namenglieder sinnvoll aufeinander bezogen, später als man die Bedeutung der Teile nicht mehr richtig verstand, wurden sie auch oft mechanisch miteinander kombiniert.

Analysiert man die Zweigliedrigkeit von Gais-bot, so kommt man zu folgendem Ergebnis: Der erste Namensteil Gais- läßt sich an germanisch *gaiza- > *gaira- ' spitzer Stab, Wurfspieß' anschließen, das uns im Althochdeutschen als Ger 'Wurfspieß' und in gleichbedeutendem lat. gaesum 'Wurfspieß der Gallier' begegnet. Der zweite Bestandteil -bot, -bod gehört zum Wort bieten (bot, geboten), er ist aber eine eigene ablautende Wortbildung, wie althochdeutsch boto, im Sinn von 'Gebieter, Herr, Bote'. Will man bei dem Namen Gaisbot die beiden Glieder in Beziehung zueinander setzen, also dem ganzen Namen einen Sinn unterlegen, so könnte man etwa an 'Gebieter des Ger (Wurfspieß)' denken. Ob dies in der Zeit der Gründung Gabsheims (ca. 5.-6. Jh.) bei der Namengebung unseres Gaisbots so gemeint war, ist nicht mehr sicher.

Literatur:
Förstemann, Ernst: Altdeutsches Namenbuch. Erster Band: Personennamen. 2. Aufl. Bonn 1900.
Kaufmann, Henning: Ergänzungsband zu Ernst Förstemann Altdeutsche Personennamen. München, Hildesheim 1968.

Kunze, Konrad: dtv-Atlas Namenkunde. Vor- und Familiennamen im deutschen Sprachgebiet. München 1998.


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© Rudolf Post, Januar 2003

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