Die Pfarrkirche St. Alban in Gabsheim Steinmetzzeichen und Wetzrillen | |
An
den mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Kirchen arbeiteten
Steinmetze, die in sogenannten Hütten organisiert waren. Wenn an einer
Baustelle mehrere Steinmetze beschäftigt waren, so haben sie, zu
Abrechnungszwecken, ihre fertigen Werkstücke "signiert". Das heißt, in
den fertiggestellten Stein wurde ein Zeichen eingehauen, das die
jeweilige Herstellerschaft dokumentierte. Jeder Steinmetz hatte dabei
sein besonderes Zeichen. Oft haben die Steinmetze ihre schon fertigen
Steine am Arbeitsplatz aufgestapelt, und nur den obersten Stein eines
Stapels gekennzeichnet, so dass nicht jeder Stein in einem Bauwerk ein
Steinmetzzeichen haben muss. Die Anzahl und die Abfolge von
Steinmetzzeichen in einem Bauwerk kann Aufschluss über die Beteiligten
am Bau und die Abfolge des Baufortschritts geben. | |
An
und in der Kirche St. Alban in Gabsheim konnte ich bisher 207
Steinmetzzeichen entdecken, die sich auf neun Varianten verteilen, die
in der obigen Abbildung dargestellt sind. Die Steinmetzzeichen
sind ausschließlich im Kirchenschiff, an den
Eingangstüren (Turmeingang und Eingang Südseite Kirchenschiff) und an
den Außenseiten der nördlichen Fenster, nicht aber im unteren
Turmgeschoss, dem Chor oder der Sakristei angebracht.
Die Steinmetzzeichen Nr. 1 und 2 befinden sich an der
Außenseite der Kirche. Zeichen 1 findet sich mehrfach an der
südlichen Eingangstür und an dem Turmeingang, sonst nirgends. Zeichen 2
kommt ebenfalls drei Mal am Innengewände der Südtür vor sowie zwei Mal
an den Außenseiten der Fenster der Nordseite, dann aber
auch vielfach im
Inneren der Kirche. Die Zeichen 8 und 9 finden sich je nur ein Mal im
Innern der Kirche und zwar Zeichen 8 an Pfeiler 5 und Zeichen 9 an
Pfeiler 6 seitlich hinter dem dort befindlichen Wappen. Eine Variante
zu Zeichen 4 (kopfstehend und ohne Seitenhaken) ist am nordöstlichen
Fenster des Seitenschiffs außen eingemeißelt. | |
Die folgenden Abbildungen zeigen, an welchen Stellen der Kirche heute noch Steinmetzzeichen zu entdecken sind. Die Zeichen sind in den Abbildungen auf ihrer jeweiligen Höhe neben den Pfeilern eingezeichnet. Auf welcher Fläche der achteckigen Werksteine sie sich befinden, kann man an dem Buchstaben dahinter mit Hilfe der unter den Pfeilern dargestellten Positionsübersichten entnehmen. Befinden sich neben einem Stein zwei Zeichen, so ist das jeweilige Pfeilerachteck aus zwei Hälften zusammengesetzt, wobei jede Hälfte eines solchen Steins sowohl von demselben Steinmetz wie auch von verschiedenen Steinmetzen behauen worden sein kann. | |
Die 204 Steinmetzzeichen verteilen sich in unterschiedlicher Anzahl auf die einzelnen Zeichentypen. Und zwar: Zeichen 1 (6x), 2 (41x), 3 (19x), 4 (8x), 5 (30x), 6 (39x), 7 (59x), 8 (1x), 9 (1x). | |
. | |
Die
Position der Steinmetzzeichen gibt einen gewissen Aufschluss zur
Baugeschichte der Kirche. Der Steinmetz mit dem Zeichen 1 hat
ausschließlich für die Außenseiten der Türen Werksteine angefertigt,
während der Steinmetz mit dem Zeichen 2 sowohl an den Türen, den Nordfenstern, den
Pfeilern und den Joch-Arkaden sein Zeichen hinterlassen hat. Dies zeigt
uns, dass die Errichtung und Einwölbung der Kirche etwa im
gleichen Zeitraum erfolgte. | |
Das Zeichen 2 findet
sich
auch an der Außenseite des Chors der Bergkirche in Udenheim (s. Abb. links), was
ebenfalls darauf hindeutet, dass beide Bauwerke in nicht zu großen
Zeitabständen voneinander errichtet wurden. Nach einer von Dorothea Klein verfassten und von der
evangelischen Kirchengemeinde Udenheim herausgegebenen Broschüre soll
der Chor der dortigen Bergkirche zwischen 1518 und 1527 umgebaut worden
sein. Demnach könnte der Steinmetz mit dem Zeichen 2 zuerst in Gabsheim
und danach in Udenheim gearbeitet haben. Die
angebliche Übereinstimmung des Zeichens 1 mit Steinmetzzeichen in der
Kirche von Bechtolsheim wurde schon im Abschnitt über die Baugeschichte in Frage gestellt. Zeichen 6
findet sich am
Fuß der Kanzel, sonst nur in den Gewölberippen; Zeichen 7 kommt
ausschließlich in den Gewölberippen vor. Bild links: Das Steinmetzzeichen Nr. 2, hier an der Bergkirche zu Udenheim. | |
Nur ein
einziges Steinmetzzeichen befindet sich im Türgewände vom Turm zum
Dachraum des Kirchenschiffes (s. Abb. links). Es handelt sich um
Zeichen Nr. 4, jedoch noch umgeben von Buchstaben, die aber wohl
später hinzugefügt wurden. Denn während das Steinmetzzeichen sehr
scharf ausgemeißelt ist, wirken die umgebenden Buchstaben nicht gerade
professionell ausgearbeitet. Abgesehen von dem ausgeschriebenen Namen
"JAKob" handelt es sich bei den übrigen Buchstaben wohl um die
Namens-Initialen weiterer Personen. Bild links: Das Steinmetzzeichen Nr. 4, das sich im Türgewände zwischen Kirchturm und Dachboden des Kircheschiffes befindet. | |
Wetzrillen Ein
besonderes und immer noch umrätseltes Phänomen, das sich an vielen
alten Bauwerken, meist Kirchen oder Kirchhofsmauern findet, stellen die
sogenannten Wetzrillen (auch Wetzmarken, Schleifrillen,
Schleifmarken, Schabespuren, Teufelskrallen usw. genannt) dar. Man
versteht darunter von Menschen bewußt
ausgeführte Einkerbungen in Stein, bes. in der Umgebung kultischer
Orte. Die Motivation solcher Einkerbungen
ist immer noch nicht eindeutig geklärt, es gibt nur Vermutungen. Der
Sage nach sollen diese Rillen entstanden sein, weil der Teufel, vor
Wut über den Kirchenbesuch der Gläubigen, mit seinen Krallen den
Kircheneingang zerkratzt hätte. Deswegen werden diese Rillen bisweilen
auch als "Teufelskrallen" bezeichnet. In der Forschung gibt es die
These, dass diese Rillen von rituellen Schärfungen von Waffen
herrühren könnten (eine Art Waffensegnung) oder aber das Gegenteil,
nämlich von rituellen Entschärfungen (um friedliche Gesinnung zu
symbolisieren oder den Bereich der Kirche als Ort des Friedens
anzuerkennen). Andere nehmen an, dass die Für Rheinhessen vgl. Felix Zillien: Schleif- und Wetzrillen an mittelalterlichen Bauten. In: Heimatjahrbuch Landkreis Alzey-Worms 1997, S. 91-94, mit Beispielen aus kath. Kirche Bechtheim, Dom Mainz, Monzernheim, Katharinenkirche Oppenheim, Dom Worms und kath. Kirche Pfeddersheim. | |
Wetzrillen
am Kirchturm von Gabsheim. Die beiden linken Abbildungen zeigen Details
des Innengewändes der Turmtür, die rechte ein Detail an der
südwestlichen Kirchturmecke. | |
Bei der Erneuerung des Wegkreuzes am Ortseingang Gabsheims im Juli 2010 kamen unter dem Fundament des Kreuzes zwei große Steinblöcke (Maße ca. 97x50x42 cm, Gewicht je Block ca. 200 kg) zum Vorschein, die an mehreren Seiten behauen sind. Bei einem dieser Steine finden sich auf einer geglätteten Seite deutliche Wetzrillen (s. nebenstehendes Foto). Offensichtlich sind die Steine Trümmer eines frühreren Wegkreuzes, Heiligenhäuschens oder sogar Reste des vor der heutigen Kirche existierenden Gabsheimer Gotteshauses. Diese Zuweisung wird dadurch gestützt, dass Wetzrillen in der Regel an kultischen Bauwerken zu finden sind. | |