2. Die Mundart von Gabsheim im Vergleich mit der Standardsprache
 
Der Ortsdialekt von Gabsheim hat, wie wir gesehen haben, innerhalb der rheinhessischen Mundarten seine besondere Stellung, mal hebt er sich von nördlichen, mal südlichen oder östlichen wie westlichen rheinhessischen Mundarten ab. Bei der Vielgestaltigkeit der rheinhessischen Mundartlandschaft, die viele Züge einer sprachlichen Übergangslandschaft trägt, ist es kaum möglich, die Eigenheiten des Ortsdialekts von Gabsheim im Gegensatz zu den anderen rheinhessischen Ortsdialekten zu zeigen, da mal auf die eine, mal andere Varietät des Rheinhessischen Bezug genommen werden müßte. Besser und meines Erachtens auch anschaulicher, kann die Eigenheit der Mundart von Gabsheim herausgearbeitet werden, wenn man sie mit einem jedem bekannten Sprachsystem, nämlich der neuhochdeutschen Standardsprache vergleicht. Dabei ist jedoch zu bedenken, daß keine direkte Abhängigkeit des einen vom anderen System besteht, das heißt, die rheinhessische Mundart hat sich nicht aus der heutigen Standardsprache entwickelt und umgekehrt. Beide haben ihre eigene Geschichte und so kommt es, daß, sprachgeschichtlich gesehen, mal das eine, mal das andere System die ältere Sprachform aufweist. So weist z. B. rheinhessisch Pann gegenüber neuhochdeutsch Pfanne im Anlaut die ältere Form auf, wohingegen das erhaltene e im Auslaut des neuhochdeutschen Wortes zeigt, daß in diesem Falle das Neuhochdeutsche den älteren Sprachstand gegenüber der Mundart bewahrt hat.
   Die folgende Darstellung zieht im Gegensatz zu wissenschaftlich – sprachhistorisch orientierten Mundartabhandlungen kein historisches Bezugssystem, etwa das Westgermanische oder Mittelhochdeutsche zum Vergleich heran, weil sie sich an den interessierten Laien wendet, dem sie die Eigenheiten des Ortsdialekts im Kontrast zur Standardsprache erläutern möchte. Dabei soll keine lückenlose Darstellung bis in alle Details geleistet werden, sondern es sollen nur die wichtigsten und auffallendsten Merkmale in Lautlehre, Formenlehre, Syntax und Wortschatz zur Sprache kommen.
 
2.1 Lautlehre
 
2.1.1 Vokale
 
Wenn wir Unterschiede bei Vokalen zwischen der Mundart von Gabsheim und der Standardsprache herausarbeiten wollen, so können wir zwei verschiedene Abweichungen, nämlich Unterschiede der Quantität und Unterschiede der Qualität erkennen. Im einen Falle wird der Vokal nur länger oder kürzer ausgesprochen als im Vergleichssystem, im zweiten Falle wird er anders ausgesprochen. Eine Kombination beider Fälle ist ebenfalls zu beobachten.
 
2.1.1.1 Längen und Kürzen
 
Manche Vokale sind im Ortsdialekt von Gabsheim gegenüber der Standardsprache gelängt, z. B. in Blaad 'Blatt', Breed 'Brett', Beerig 'Berg', eeje 'eggen', fleeschde 'flechten', eerscht 'erster', Fuurer 'Futter', geern 'gern', Gnääschd 'Knecht', Naachd 'Nacht', Muul 'Mulde'. Demgegenüber finden sich andererseits häufig Kürzen in Fällen, in denen die Standardsprache Langvokal hat, z. B. in Blugg 'Pflug', Blumm 'Blume', Borrem 'Boden', Breddischd 'Predigt', Buch 'Buch', Duch 'Tuch', duschder 'duster', Ewwer 'Eber', Fadder 'Vater', gewwe 'geben', Gawwel 'Gabel', Gewwel 'Giebel', Grugg 'Krug', Hasselnuß 'Haselnuß', Hosse 'Hosen', Judd 'Jude', Kårrer 'Kater', Keffisch 'Käfig', kissele 'kieseln', Kuche 'Kuchen', Lerre 'Leder', lerrisch 'ledig', Lewwer 'Leber', nemme 'nehmen', Newwel 'Nebel', orre 'oder', owwe 'oben', Schbiss 'Spieß', Schdiwwel 'Stiefel', Schdubb 'Stube', Schmidd 'Schmied', Schugg 'Schuh', Schwewwel 'Schwefel', siwwe 'sieben (Zahl)', wirre 'wieder', Wiss 'Wiese', Wissel 'Wiesel', Zwiwwel 'Zwiebel'.
Fälle, in denen Längenunterschiede und gleichzeitig Qualitätsunterschiede vorliegen, werden bei den jeweiligen Vokalen behandelt.
 
 
2.1.1.2 Einfache Vokale
 
kurz a
 
Dem kurzen a der Standardsprache entspricht weitgehend wieder a, z. B. Abbel 'Apfel', Agger 'Acker', Dach 'Dach', Salz 'Salz', schaffe 'schaffen', waggse 'wachsen usw., lediglich vor n, m ist die mundartliche Entsprechung ein dunkleres, leicht nasaliertes a, das in unserer Schreibung mit <å> (als Großbuchstabe <Å>) wiedergegeben wird, z. B. Hånd 'Hand', Wånd 'Wand', Lånd 'Land', Dåmb 'Dampf', Gång 'Gang', Ångel 'Angel', Månn 'Mann usw. Der Umlaut von kurz a, also ä, wird in der Mundart dem kurzen e vergleichbar behandelt (s. dort).
 
lang a
 
Das standardsprachliche lange a hat mehrere Entsprechungen, meist ist die Entsprechung oo, z. B.: bloose 'blasen', doo 'da', emool 'einmal', Fohne 'Fahne', frooe 'fragen', gedoon 'getan', gloor 'klar', hoon 'haben', Hooge 'Haken', Hoor 'Haar', Johr 'Jahr', joo 'ja', mool 'mal', Noorel 'Nadel', Oomd 'Abend', Oominz 'Ameise', Oorer 'Ader', Oos 'Aas', Schboon 'Span', schloofe 'schlafen', Schnoog 'Schnake', Schwooer 'Schwager', Soome 'Samen', Zohn 'Zahn'. In anderen Fällen, insbesondere in der Verbindung -age- ist ein langes dunkles a [ɐ:] (in unserer Schreibung mit <åå> wiedergegeben) die Entsprechung für standard­sprachliches langes a, z. B.: Gråå 'Kragen', Wåå 'Wagen', dråå 'tragen', Måå 'Magen', hååle 'hageln' usw., und als letzte größere Gruppe können wir als Entsprechung auch aa herausstellen: Haas 'Hase', graawe 'graben', Daach 'Tag', maale 'malen', Graas 'Gras', fahre 'fahren', Daal 'Tal' usw.
 
lang ä
 
Der Umlaut des langen a, in der Schreibung der Standardsprache mit <ä> bezeichnet und als langes offenes e [ɛ:] gesprochen, findet im Gabsheimerischen seine Entsprechung als langes, geschlossenes e, z. B.: Greewer 'Gräber', gweele 'quälen', Needern 'Näherin', dreesd 'trägst', freesd 'frägst', schbeed 'spät', Schbeen 'Späne', neegschd 'nächste', Kees 'Käse', Wee 'Wägen', Gleeser 'Gläser', Neel 'Nägel', Zehn 'Zähne'.
 
kurz e
 
Das kurze e der Standardsprache findet sich in der Mundart von Gabsheim mit wenigen Änderungen vor. In der Regel wird es geschlossener ausgesprochen als in der Standardsprache (mda. [e], ssp.[ɛ]), z. B. esse 'essen', Dregg 'Dreck', Neschd 'Nest'. In der Stammsilbe vor r wird es in manchen Fällen gegenüber der Standardsprache gelängt: eerschd 'erst', Beerig 'Berg', Eerd 'Erde', Heerd 'Herd' u. a., in anderen Fällen dagegen als kurzes offenes e [ɛ] artikuliert (hier zur Verdeutlichung mit <ä> geschrieben): rz 'Herz', rfe 'werfen', rz 'Kerze', Schdärn 'Stern' u. a. Ein auffallendes Merkmal der Gabsheimer Mundart (und mit ihr natürlich der Mundarten des größten süd- und mitteldeutschen Raums) ist der Schwund des unbetonten e am Wortende in Ableitungs-, Plural-, Flexionsendungen usw., z. B.: Haas 'Hase', Wiss 'Wiese', Bänk 'Bänke', (isch) lååf '(ich) laufe' usw.
   Zu kurz e gehören auch die in der Standardsprache mit dem Zeichen <ä> gekennzeichneten Laute, da in der Standardsprache zwischen ihnen und kurz e keine Ausspracheunterschiede bestehen. In der Gabsheimer Mundart werden sie wie kurz e mit geringem Öffnungsgrad gesprochen, z. B.: Eschd 'Äste', Geschd 'Gäste', Gens 'Gänse', Kelbsche 'Kälbchen', Ebbel 'Äpfel', Kell 'Kälte' usw.
 
lang e
 
Bei langem e sind keine wesentlichen Abweichungen beider Systeme zu bemerken: Glee 'Klee', Schnee 'Schnee', beere 'beten', leese 'lesen', leewe 'leben', neewe 'neben', dreere 'treten', gewees 'gewesen' usw.
 
kurz i
 
Die Entsprechungen des standardsprachlichen kurzen i sind in der Gabsheimer Mundart e und i. Gabsheim liegt in einer Zone Rheinhessens, in der sich teilweise noch die sogenannte "Senkung" von i zu e vorfindet. Diese Senkungszone schließt den nördlichen und südöstlichen Teil des Rheinhessischen aus. Einige Beispiele aus dem Gabsheimerischen sollen diese Senkung erläutern: gebess 'gebissen', geschnedd  'geschnitten', geschredd  'geschritten', Meschd 'Mist', Grend 'Grind', gegresch 'gekrischen', Wenne 'Winden'. Regelmäßig ist diese Senkung in allen rheinhessischen Mundarten bei i vor r: Geschärr 'Geschirr', rn 'Hirn', rsch 'Kirsche, Kirche', Schdärn 'Stirn', Schärm 'Schirm', rd 'Wirt', rglisch 'wirklich'. In einzelnen Fällen tritt Dehnung und Senkung ein: heen 'hin', Beer 'Birne'. Neben diesen Senkungsformen ist jedoch die Entsprechung i in der Regel die häufigere: Himmel 'Himmel', Gewirre 'Gewitter', Millisch 'Milch', Dischdel 'Distel' usw.
 
lang i
 
Wie beim kurzen i finden sich beim langen i Entsprechungen mit Senkung, daneben jedoch häufiger direkte Parallelen. Als Senkungsbeispiele wären zu nennen: ehr 'ihr', feel 'viel', Feeh 'Vieh', Schdeel 'Stiel', schbeele 'spielen', kurascheerd 'couragiert', geschdee 'gestiegen', freere 'frieren', schmeere 'schmieren', ferleere 'verlieren', kobbeleere 'kopulieren', lammedeere 'lamentieren'. Daneben findet sich Senkung und Kürzung: Gewwel 'Giebel', geblebb 'geblieben', gerebb 'gerieben', geschrebb 'geschrieben'. In den meisten Fällen, von den oben schon genannten Kurzformen wie Wiss 'Wiese' u. a. abgesehen, entspricht die Mundart der Standardsprache: Bie 'Biene', biie 'biegen', Brief 'Brief', Diel 'Diele', fier 'vier', giese 'gießen', lieb 'lieb', Riil 'Riegel', Schdier 'Stier', Zii'el 'Ziegel' usw.
 
kurz o
 
Bis auf wenige Abweichungen wie z. B. kumme 'kommen', Dunner 'Donner', genumm 'genommen', gewunn 'gewonnen', Nunn 'Nonne', Summer 'Sommer', sunschd 'sonst' entspricht kurz o in der Mundart von Gabsheim ebenfalls einem kurzen o mit dem Unterschied, daß es mehr geschlossen artikuliert wird als seine standardsprachliche Entsprechung: Kobb 'Kopf', koche 'kochen', Holz 'Holz', Woch 'Woche' usw., lediglich vor r ist vereinzelt offene Qualität [ɔ] zu hören: Korb 'Korb', morsch 'morsch' u. a.
 
lang o
 
Auch bei langem o liegen neben wenigen Abweichungen wie wuu 'wo' und Kürzungen wie Hosse 'Hosen', Borrem 'Boden' nur direkte Entsprechungen vor: rood 'rot', doowe 'toben', Hoof 'Hof', loowe 'loben', Ohr 'Ohr', Oowe 'Ofen' usw.
 
kurz u
 
In der größten Zahl der Fälle hat die Mundart ebenfalls als Entsprechung kurzes u, z. B.: Bund 'Bund', Pund 'Pfund', Fruchd 'Frucht', hunnerd 'hundert', Hunger 'Hunger', Zuchd 'Zucht', Wunner 'Wunder' usw. Lediglich vor r entspricht dem standardsprachlichen u regelmäßig ein o: Borsch 'Bursche', dorsch 'durch', Dorschd 'Durst', Gojl 'Gurgel', Worschd 'Wurst', hordisch 'hurtig', Schdorm 'Sturm', korz 'kurz', Worzel 'Wurzel', Worm 'Wurm' usw. Daneben finden sich jedoch vereinzelt noch Senkungsformen von u zu o: Bobb 'Puppe', Bodder 'Butter', Modder 'Mutter', robbe 'rupfen', zobbele 'zupfen' (eigentlich 'zupfeln').
 
lang u
 
Abgesehen von oben schon behandelten Kürzungen wie Schdubb 'Stube', Kuche 'Kuchen' u. ä. finden wir als wichtigste Entsprechung ebenfalls langes u: Bluud 'Blut', Fuus 'Fuß', guud 'gut', Huuf 'Huf', Kuh 'Kuh', Schuul 'Schule', Uhr 'Uhr' usw.
 
2.1.1.3. Rundungsvokale
 
Eine deutliche Abweichung von der Standardsprache liegt in der Mundart von Gabsheim (und nicht nur da) bei den Entsprechungen der sogenannten Rundungsvokale (das sind Vokale, die mit gerundeten Lippen gesprochen werden, nämlich ö und ü) vor, denn diese existieren in der Mundart nicht.
 
kurz ö
 
Als Entsprechung von ö findet sich im Gabsheimerischen kurz e, das bis auf die Position vor r weitgehend geschlossen artikuliert wird (vgl. kurz e): Kebbsche 'Köpfchen', Lescher 'Löcher', rner 'Körner' usw.
 
lang ö
 
Die Entsprechung des standardsprachlichen langen ö ist in der Mundart langes e: bees 'böse', Eefsche 'Öfchen', Feelsche 'Vögelchen', Glees 'Klöße', greeser 'größer', heere 'hören', reedlisch 'rötlich', scheen 'schön' usw.
 
kurz ü
 
Anstelle von kurzem ü finden sich im Gabsheimerischen i und e: Brigg 'Brücke', drigge 'drücken', Gligg 'Glück', kisse 'küssen', Ligg 'Lücke', Nissje 'Nüßchen' usw. Nur vor r findet sich offenes e (<ä>, [ɛ]): rr 'dürr', rdel 'Gürtel', rdser 'kürzer', rb 'mürbe', rschdsche 'Würstchen', rfel 'Würfel' usw.
 
lang ü
 
Dem kurzen ü vergleichbar sind die Entsprechungen des standardsprachlichen langen ü, nämlich langes i und e: Fiis 'Füße', Kih 'Kühe', miid 'müde', Riib 'Rübe', Schdihl 'Stühle' usw. Vor r findet sich langes e: Deer 'Türe', fehre 'führen', rehre 'rühren' u. a.
 
2.1.1.4. Diphthonge
 
Wie bei den Rundungsvokalen gibt es bei den Diphthongen <ei, eu, au> beträchtliche Abweichungen zwischen Standardsprache und Mundart.
 
ai <ei, ai>
 
Dem Diphthong ai, in standardsprachlicher Schreibung meist <ei>, seltener <ai>, z. B. <Seite – Saite>, kommen zwei Hauptentsprechungen zu, die sprachgeschichtlich bedingt sind. In den Fällen, in denen dem standardsprachlichen ei altes langes i zugrundeliegt, haben wir in der Mundart von Gabsheim meist ai, also baise 'beißen', blaiwe 'bleiben', draiwe 'treiben', graische 'kreischen', Zaid 'Zeit' usw. Dagegen haben wir in der Mundart ein langes dunkles a (in unserer Schreibung <åå>, bzw. <Åå>) wenn das standardsprachliche ai auf altes ei zurückführt: Ååmer 'Eimer', brååd 'breit', Flååsch 'Fleisch', Gåås 'Geiß', Sååf 'Seife', Såål 'Seil', Schdåån 'Stein', wååsch 'weich'. Wie wir sehen, hat die Mundart hier zwei verschiedene Laute beibehalten, während sie in der Standardsprache "zusammengefallen" sind.
 
oi <eu, äu>
 
Der Diphthong oi (wenn es sich um den Umlaut zu au handelt auch mit der Schreibung <äu> wiedergegeben) wird in der Mundart zu ai oder ee "entrundet" (siehe Rundungsvokale oben): Daiwel 'Teufel', Faier 'Feuer', haid 'heute', haile 'heulen', Laid 'Leute', laischde 'leuchten', nai 'neu', Zaisch 'Zeug', das gleiche gilt für äu, den Umlaut von au (sofern dieses au auf altes langes u zurückführt): Daibsche 'Täubchen', Haiser 'Häuser', laide 'läuten', Lais 'Läuse', Mailer 'Mäuler', Mais 'Mäuse' usw. Führt der Umlaut äu jedoch auf ein altes ou zurück, so haben wir in folgenden Fällen ee als Entsprechung: Beem 'Bäume', leefd 'läuft', keefd 'kauft', wörtl. 'käuft'.
 
au
 
Wie bei ai finden wir hier wieder zwei unterschiedliche sprachgeschichtlich bedingte Entsprechungen, nämlich au und åå. Wörter, in denen die Entsprechung von standardsprachlichem au auf altes langes u zurückführt, haben in der Gabsheimer Mundart ebenfalls au, wie z. B.: Bauer 'Bauer', Braud 'Braut', Daub 'Taube', Gaul 'Gaul', Maus 'Maus', Zaun 'Zaun' usw. Führt die Entsprechung jedoch auf altes ou zurück, so haben wir åå als Entsprechung: ååch 'auch', Bååm 'Baum, Fråå 'Frau', kååfe 'kaufen', Lååb 'Laub', Rååch 'Rauch' usw.
 
2.1.1.5 Zusammenfassung
 
Zusammenfassend sollen nun in einer Übersicht die wichtigsten Entsprechungen im Vokalismus zwischen der Gabsheimer Mundart und der Standardsprache in einer Übersicht herausgestellt werden, wobei diesmal die Mundart in Bezug zur Standardsprache gesetzt ist.
 
Mundart     Standardspr. Erklärung               Beispiel
 
a                 a          Hauptentsprechung         schaffe 'schaffen'
                   aa        Kurzform                         Gawwel 'Gabel'
å                 a          nur vor Nasal                   Hånd 'Hand'
ä                 ä          meist nur vor r                 rz 'Kerze'
                   ü          meist nur vor r                 rfel 'Würfel'
aa               aa        Teilentsprechung             Daach 'Tag'
                   a          Dehnungsform (selten)    Blaad 'Blatt'
                   aa        Verbindung age              Wåå 'Wagen'
åå               ei         wenn altes ei                    Sååf 'Seife'
                   au        wenn altes ou                  Fråå 'Frau'
ää               ee        selten                               Bääsem 'Besen'
                   ä          sehr selten                        Gnääschd 'Knecht'
                   ä          ssp. Graphie <e, ä>          Dregg 'Dreck'
                   i           Senkungsform                 Meschd 'Mist'
e                 ö          Entrundung                     Kebb 'Köpfe'
                   ee        Kurzform                         Newwel 'Nebel'
                   ee        Hauptentsprechung         leewe 'leben'
                   ii          Senkung                          feel 'viel'
                   öö        Entrundung                     bees 'böse'
ee                üü        Entrundung vor r            Deer 'Tür'
                   äu        Entrundung                     Beem 'Bäume'
                   e          Dehnungsform                Breed 'Brett'
                   i           Dehnung u. Senkung       heen 'hin'
                   i           Hauptentsprechung         Himmel 'Himmel'
i                  ü          Entrundung                     Brigg 'Brücke'
                   ii          Kurzform                         Wiss 'Wiese'
ii                 ii          Hauptentsprechung         fier 'vier'
                   üü        Entrundung                     Riib 'Rübe'
                   o          Hauptentsprechung         Kobb 'Kopf'
o                 u          Senkung (selten)              robbe 'rupfen'
                   oo        Kurzform                         Hosse 'Hosen'
oo               oo        Hauptentsprechung         Hoof 'Hof'
                   aa        Teilentsprechung             Hooge 'Haken'
                   u          Hauptentsprechung         Pund 'Pfund'
u                 o          vereinzelt vor Nasal         Nunn 'Nonne'
                   uu        Kurzform                         Blugg 'Pflug'
                   uu        Hauptentsprechung         guud 'gut'
uu               oo        selten                               wuu 'wo'
                   u          Dehnung (selten)             Muul 'Mulde'
ai                ai         Graphie <ei, ai>               Zaid 'Zeit'
                   eu        Graphie <eu, äu>             Laid 'Leute'
au               au        wenn altes uu                  Maus 'Maus'
 
 
2.1.2 Konsonanten
 
2.1.2.1 Plosive
 
p und b
 
Dem standardsprachlichen p entspricht in der Mundart von Gabsheim in der Hauptsache b und nur in wenigen Fällen p. Vor Konsonanten und im Inlaut in jeder Position finden wir b, das als stimmloser, nicht behauchter Verschlußlaut realisiert wird: blåårere 'plaudern', bladd 'platt', Breddischd 'Predigt', Labbe 'Lappen', rabbele 'rappeln', Bumb 'Pumpe', Belz 'Pelz', Babier 'Papier', Gnoschb 'Knospe', Raschbel 'Raspel' usw. Lediglich im Anlaut vor Vokal finden wir in einigen Fällen p, z. B.: Pacht 'Pacht', Poschd 'Post', Pedder 'Pate', pagge 'packen', Paarwegg 'Paarweck' u. a.
Anders sieht es bei den Entsprechungen des standardsprachlichen b aus. Im An- und Auslaut und in der Verbindung mit Konsonanten entsprechen sich hier Hochsprache und Mundart. Lediglich zwischen Vokalen und zwischen Liquid und Vokal finden wir w als Entsprechung: awwer 'aber', Balwierer 'Balbierer', blaiwe 'bleiben', halwer 'halb(er)', grawwele 'krabbeln', leewe 'leben', glååwe 'glauben', Äärwed 'Arbeit', schdärwe 'sterben', Buuwe 'Buben' usw. Bei jüngeren Sprechern in Gabsheim ist manchmal auch in diesen Positionen schon b zu hören, z. B. Daube 'Tauben' statt altmundartlichem Dauwe.
 
t und d
 
Mundartliche Entsprechungen für standardsprachliches t sind in der Regel d, wobei dieses d ein stimmloser, nichtbehauchter Plosiv ist: Daal 'Tal', Daaler 'Taler', Deller 'Teller', Dinjer 'Tüncher', Dochder 'Tochter', draiwe 'treiben', riddele 'rütteln', Grummed 'Grummet', Laschd 'Last', guud 'gut', Schdorm 'Sturm' usw. Nur in ganz seltenen Fällen, besonders bei Wörtern, die wohl aus der Schriftsprache übernommen wurden, wie z. B. bei Tånde 'Tante', Tee, 'Tee', Tord 'Torte', Tonn 'Tonne', ist tatsächlich ein t (als stimmloser behauchter Plosiv) zu hören.
Eine interessante und auffällige Abweichung stellt sich bei den Entsprechungen von standardsprachlich d, seltener t ein, denen besonders zwischen Vokalen in vielen Fällen ein r entspricht. Diese Erscheinung, der sogenannte Rhotazismus, ist nur noch in den rheinhessischen Landmundarten zu hören. Wenn wir z. B. die Aussprache von 'Bruder' betrachten, so haben die rheinhessischen Mundarten auf dem Land Bruurer, die in den Gebieten um Mainz und Worms dagegen Bruuder. Auch in der Sprache der jüngeren Generation ist der Schwund dieses Rhotazismus zu beobachten, auch in Gabsheim. Dennoch wurden die Wörter im Wörterbuchteil in der älteren Sprechweise notiert, z. B.: Oorer 'Ader', Borrem 'Boden', Bruurer 'Bruder', Faarem 'Faden', Ferrer 'Feder', Jurre 'Juden', Kårrer 'Kater', Lerrer 'Leder', lerrisch 'ledig', schnaire 'schneiden', Wairekäzzcher 'Weidenkätzchen', wirre 'wieder', Oorem 'Atem', beere 'beten', bluure 'bluten', broore 'braten', Schlirre 'Schlitten', Gewirre 'Gewitter' usw. Abgesehen von diesem Rhotazismus ist jedoch bei d weitgehende Übereinstimmung von Standardsprache und Mundart zu beobachten, wobei jedoch die Artikulation des d in der "richtigen" neuhochdeutschen Aussprache (Bühnenaussprache) als stimmhafter Laut erfolgen sollte, während er in der Mundart stimmlos ist.
 
k und g
 
Haben wir schon in den obigen Fällen eine Tendenz der Mundart hin zur "weicheren" Aussprache (Lenisierung) feststellen können, so setzt sich diese Tendenz auch bei den Entsprechungen von standardsprachlichem k in der Mundart fort, von denen viele (nämlich die vor Konsonant) als g realisiert werden: gloor 'klar', Gnoschb 'Knospe', Graiz 'Kreuz', Grebbel 'Kräppel', Groschd 'Kruste', grumm 'krumm', rglisch 'wirklich' usw., lediglich vor Vokal im Anlaut findet sich die direkte Entsprechung: Kazz 'Katze', Keffisch 'Käfig', Kind 'Kind', Kobb 'Kopf', Kuh 'Kuh'. Bei g herrscht weitgehende Entsprechung vor, lediglich das g im Inlaut verdient Beachtung, denn zwischen Vokalen ist es geschwunden, z. B. Wåå 'Wagen', Ree'e 'Regen', Riiel 'Riegel', frooe 'fragen', Kuuel 'Kugel', während es nach l, r und vor Vokal als j erscheint: Galje 'Galgen', Gojl 'Gurgel', weljere 'wälgern', Orjel 'Orgel' usw. Auch im Auslaut finden sich Abweichungen, z. B. Daach 'Tag'.
 
2.1.2.2 Frikative
 
f und w
 
In der Großzahl der Fälle finden sich zwischen Standardsprache und Gabsheimer Mundart bei f und w direkte Entsprechungen. Doch es gibt auch Fälle, in denen als Entsprechung von standardsprachlichem f in der Mundart w zu hören ist, z. B.: Daiwel 'Teufel', Oowe 'Ofen', Kewwer 'Käfer', Schdiwwel 'Stiefel', Hawwer 'Hafer', Schwewwel 'Schwefel' u. a.
 
s, sch und ch
 
Bei diesen Lauten gibt es eine Anzahl besonderer Entsprechungen: Bei s wird in der Mundart nicht zwischen stimmhaftem und stimmlosem s unterschieden, meist findet sich nur stimmloses s. In der Verbindung rst entspricht standardsprachlichem s ein sch, z. B. Dorschd 'Durst', Berschd 'Bürste', Gäärschd 'Gerste', Worschd 'Wurst' usw. Auch inlautend vor p und vor allem t ist diese Entsprechung zu finden, wie wir an einem Beispiel schon im Einleitungskapitel anhand der fest-fescht-Linie festgestellt haben. Der Ortsdialekt von Gabsheim hat aber im Gegensatz zu Mundarten weiter im Süden Rheinhessens nicht in jedem Falle schd. So stehen in Gabsheim die Formen feschd 'fest', geschder 'gestern' solchen wie Schwesder 'Schwester', hosd 'hast', bisd 'bist' gegenüber, die einige Orte weiter südlich ebenfalls als Schweschder, hoschd, bischd realisiert werden. Dennoch ist an sch-Entprechungen kein Mangel: aiserscht 'äußerst', Ängschd 'Angst', Aschd 'Ast', Blaschder 'Pflaster', Eschdrisch 'Estrich', duschder 'duster', Finschder 'Fenster', G'rischt 'Gerüst', Grischdbååm 'Christbaum', Groschd 'Kruste', rbschd 'Herbst', Kåårschd 'Karst', Kaschde 'Kasten', Mååschder 'Meister', Meschd 'Mist', Neschd 'Nest', Worschd 'Wurst'. Entsprechungen vor p (mundartlich b): feschbere 'vespern', Gnoschb 'Knospe', gnuschbere 'knuspern', Kaschber 'Kasper', raschbele 'raspeln', u. a.
Auch bei ch liegen abweichende Entsprechungen vor: nach e, i und l, r ist als Entsprechung von ch [ç] ein sch [ʃ], bzw. ein Zwischenlaut zwischen ch und sch [ʆ] zu hören, der hier jedoch auch mit sch umschrieben wird: dischdisch 'tüchtig', dorsch 'durch', rsch 'Vers', feschde 'fechten', isch 'ich', rsch 'Kirche', Knääschd 'Knecht', Laaisch 'Leiche', Lischd 'Licht', Millisch 'Milch', reschd 'recht', Schbaischer 'Speicher', schdesche 'stechen', Schdrisch 'Strich', sisch 'sich', wååsch 'weich'. Die Adjektivendungen -lich, -ig und die Verkleinerungssilbe -chen (außer nach -s, -z) haben ebenfalls sch als Entsprechung: friedlisch 'friedlich', schrumbelisch 'schrumpelig', schdruwwelisch 'struppelig', dabbisch 'tappig' usw. Verkleinerung: Beemsche 'Bäumchen', Schränksche 'Schränkchen', Bildsche 'Bildchen' usw., lediglich nach z [ds] und s ist die Entsprechung -je: Guudsje 'Guts'chen', Haisje 'Häus'chen' u. a.
 
j und h haben in ihren mundartlichen Entsprechungen keine nennenswerten Besonderheiten.
 
2.1.2.3 Nasale
 
m, n und ng [ŋ]
 
Während bei m und ng keine nennenswerten Abweichungen zwischen Standardsprache und Mundart zu bemerken sind, finden sich bei den Entsprechungen zu n Besonderheiten: Auslautendes n, besonders nach Langvokal, schwindet häufig und bewirkt Nasalierung des Vokals (die Nasalierung wird durch ein hochgestelltes <n> bezeichnet): Båån 'Bein', griin 'grün', kåån 'kein', Wain 'Wain' u. a. Im unbetonten, auslautenden -en, z. B. bei Verben, Pluralformen, oder Wortableitungen ist n geschwunden, ohne Nasalierung zu hinterlassen, z. B. laufe 'laufen', Dauwe 'Tauben', Zinke 'Zinken' usw.
 
2.1.2.4 Liquide
 
l und r
 
Während bei l völlige Übereinstimmung zwischen Mundart und Standardsprache besteht, ist beim r zu bemerken, daß es in unbetonter Stellung, besonders am Ende von Silben (z. B. in der Vorsilbe ver-, etwa: ferliere 'verlieren') noch schwächer artikuliert wird als es in der Standardsprache ohnehin schon wird. In unserer Schreibung wird dieses kaum hörbare r (phonetisch meist ein [ə, ɐ]) als kleines hochgestelltes <r> notiert, bis auf die Fälle, in denen man es überhaupt nicht mehr hört, z. B. Lerre 'Leder', Gewirre 'Gewitter', Magg 'Mark', Gojl 'Gurgel'.
 
2.1.2.5 Affrikaten
 
pf und z [ts]
 
Die Affrikata pf existiert in der Mundart von Gabsheim nicht. Der ihr entsprechende Laut verhält sich wie p, ist also im Anlaut vor Vokal p und in allen anderen Fällen b, z. B.: Paad 'Pfad', Paif 'Pfeife', Pann 'Pfanne', Peffer 'Pfeffer', rsch 'Pferch', Pood 'Pfote', Pund 'Pfund' u. a. dagegen Blånz 'Pflanze', Blaschder 'Pflaster', Blugg 'Pflug', globbe 'klopfen', Zabbe 'Zapfen', Kobb 'Kopf', Schdrumb 'Strumpf' usw. Sprachgeschichtlich gesehen, hat hier die Mundart die ältere Form bewahrt, was man z. B. anhand der Lehnwörter wie Paif aus lat. pipa, Pund aus lat. pondus, Pann aus vulgärlat. panna usw. gut erkennen kann. Auch bei z ist einiges zu bemerken. Entsprechend der unaspierierten Aussprache der Dentale in der Mundart wird es nicht als [ts] wie in der Standardsprache, sondern als [ds] artikuliert. Außerdem wird es im Wort zu in unbetonter Stellung oft als s gesprochen, z. B.: sefridde 'zufrieden' oder: Do gibd's nigs se lache 'Da gibt's nichts zu lachen'.
 
2.1.2.6 Zusammenfassung
 
Wie bei den Vokalen, soll nun eine Übersicht die jeweiligen standardsprachlichen Entsprechungen mundartlicher Laute zeigen:
 
Mundart     Standardspr. Erklärung               Beispiel
 
p                 p          nur Anlaut vor Vokal      pagge 'packen'
                   b          Anl./Ausl./Konsverb.      Brood 'Brot'
b                 p          Inlaut/Konsverbindung    Raschbel 'Raspel'
                   pf         Inl./Ausl./Konsverb.       klobbe 'klopfen'
t                  t           in seltenen Ausnahmen   Tånde 'Tante'
d                 d          Teilentsprechung             Dregg 'Dreck'
                   t           in fast allen Fällen           Daal 'Tal'
k                 k          nur Anlaut vor Vokal      Kind 'Kind'
g                 g          Hauptentsprechung         guud 'gut'
                   k          Inlaut/Konsverbindung   rglisch 'wirklich'
f                  f           Hauptentsprechung         rdisch 'fertig'
                   w         Hauptentsprechung         Wald 'Wald'
w                b          Inl. zw. Vokal/Liquid      schdärwe 'sterben'
                   f           selten                             Oowe 'Ofen'
s                  s          Hauptentsprechung         Sånd 'Sand'
                   z          unbetontes "zu"                sefridde 'zufrieden'
                   sch       Hauptentsprechung         scheen 'schön'
sch              s          in Verb. st, sp                 Aschd u.a. 'Ast u.a'
                   ch        nach e, i u.a.                   isch, eschd 'ich, echt'
                   j           Hauptentsprechung         jung 'jung'
j                  ch        nach s                            Maisje 'Mäuschen'
                   g          in Verb. lg, rg                Galje 'Galgen'
h                 h          Hauptentsprechung         Hund 'Hund'
m                m         Hauptentsprechung         mache 'machen'
n                 n          Hauptentsprechung         nai 'neu'
l                  l           Hauptentsprechung         Lufd 'Luft'
                   r          Hauptentsprechung         rood 'rot'
r                  d          Rhotazismus                  Bruurer 'Bruder'
                   t           Rhotazismus                  beere 'beten'
z                  z          Hauptentsprechung        Zail 'Zeile'
 
2.2 Formenlehre und Syntax
 
Die zum Teil doch sehr markanten Abweichungen der rheinhessischen Mundart aus Gabsheim von der neuhochdeutschen Standardsprache, die wir bisher betrachtet haben, machen ihren unverwechselbaren Charakter aus, der jedoch noch von weiteren Auffälligkeiten aus dem Bereich der Formenlehre und der Syntax unterstrichen wird. In diesem Kapitel sollen solche Eigenheiten in wenigen Beispielen vorgestellt werden, wobei zunächst die Substantive (Dingwörter), dann die Verben (Tätigkeitswörter) und zum Schluß die Syntax (Satzlehre) näher betrachtet werden.
 
2.2.1 Nominalflexion
 
Auffallend gegenüber der neuhochdeutschen Standardsprache ist in der Mundart von Gabsheim, wie übrigens in vielen anderen Mundarten unseres Raumes, daß man bei den Substantiven keinerlei eigene Deklinationsendung vorfindet. Kasusendungen wie sie standardsprachlich etwa in des Mannes, dem Bären, den Herren, im Hause usw. vorkommen, finden sich in der Mundart nicht. Die Entsprechungen in der Mundart von Gabsheim zeigen in allen Fällen keine andere Form als die des Nominativs, z. B.: Isch hunn em Bäär Zugger gebb 'Ich habe dem Bären Zucker gegeben' usw. Abgesehen davon gibt es den Genitiv (Wesfall), wenn man von einigen Wendungen wie Kobbs greeser 'Kopfs größer', Saggbennels wert 'Sackbändels wert' oder Herkunftsbezeichnungen aus Namen wie in Balzers (FN Balzer), in Schäfers (FN Schäfer) absieht, in der Mundart überhaupt nicht. Genitivische Fügungen wie standardsprachlich das Haus meines Vaters werden immer umschrieben: maim Fadder sain Haus oder 's Haus funn maim Fadder. Auffallend ist auch die gelegentlich abweichende Pluralbildung von Substantiven wofür einige Beispiele nebeneinandergetellt werden sollen:
 
Standardspr. Einzahl, Mehrzahl      Mundart Einzahl, Mehrzahl
          Bett, Betten                            Bedd, Bedder
          Dorn, Dornen                         Dorn, Därner
          Klotz, Klötze                          Glozz, Glezzer
          Kreuz, Kreuze                        Graiz, Graizer
          Hemd, Hemden                      Hemb, Hemmer
          Herz, Herzen                          rz, Härzer
          Rohr, Rohre                            Rohr, Rohrn
          Seil, Seile                                Såål, Sååler
          Stück, Stücke                          Schdigg, Schdigger
          Onkel, Onkel                          Unkel, Unkele
          Unglück, Unglücke                Uugligg, Uugligger
 
Regelmäßig andere Pluralbildung haben meistens auch die Substantive auf -el und -er, die in der Standardsprache im Plural mit -n enden, z. B.:
 
          Brennessel, Brennesseln           Brennnessel, Brennessele
          Distel, Disteln                           Dischdel, Dischdele
          Gabel, Gabeln                          Gawwel, Gawwele
          Nadel, Nadeln                           Noorel, Noorele
          Stoppel, Stoppeln                      Schdobbel, Schdobbele
          Wurzel, Wurzeln                        Worzel, Worzele
          Ziegel, Ziegeln                          Ziil, Ziile
          Zwiebel, Zwiebeln                     Zwiwwel, Zwiwwele
          Ader, Adern                              Oorer, Oorere
          Bauer, Bauern                          Bauer, Bauere
          Feder, Federn                          Ferrer, Ferrere
 
Bedingt durch den Umstand, daß -e und -n in der Mundart am Wortende schwinden (vgl. die Abschnitte zu kurzem e und zu n), unterscheiden sich auch die Pluralendungen bei solchen Wörtern, wobei jedoch im Gegensatz zu den obengenannten Fällen eigentlich keine andere Art der Pluralbildung, sondern nur Schwund des Auslauts vorliegt, z. B.:
 
          Bank, Bänke                             Bånk, Benk
          Gans, Gänse                             Gans, Gens
          Hut, Hüte                                  Huud, Hiid
          Fuchs, Füchse                          Fuggs, Figgs
          Wiese, Wiesen                           Wiss, Wisse
          Hase, Hasen                             Haas, Haase
          Taube, Tauben                         Daub, Dauwe
   usw.
Besonderheiten der Pluralbildung gibt es auch bei den Formen des Diminutivs (Verkleinerungsform). Hier ist die Pluralendung stets -erscher gegenüber standardsprachlichem -en, z. B.: zwåå Feelerscher, Haiserscher, Kebberscher, Männerscher 'zwei Vögelchen, Häuschen, Köpfchen, Männchen' usw. In der Mundart wird also Diminutiv Singular und Plural unterschieden, wohingegen in der Standardsprache keine formale Unterscheidung getroffen wird: das Männchen, die Männchen, in der Mundart: 's Männsche, die Männerscher.
  
Neben Eigenheiten im Kasus- und Pluralsystem, zeigt die Mundart vereinzelt auch Abweichungen bei den Genera, z. B.:
 
 Standardsprache                             Mundart
            der Bach                              die Bach (f.)
            die Brezel                             de Brezzel (m.)
            die Tenne                             es Denn (n.)
            die Jacke                              de Jagg (m.)
            die Mark (Geld)                   de Magg (m.) daneben auch f.
            der Ort                                 es Oord (n.)
            das Radio                             de Råådjoo (m.)
            die Schokolade                     de Schoggelaad (m.)
 
Bei der Endung von attributiv gebrauchten Adjektiven läßt sich innerhalb Rheinhessens eine auffallende Unterscheidung finden: In Gabsheim, wie in Nord- und Westrheinhessen (s. Karte 3), sagt man z. B. e guud (bees, schee) Fråå 'eine gute Frau' während das übrige Rheinhessen, besonders der Wormser Raum hierfür e guudi (beesi, scheeni) Fråå gebraucht.
 
2.2.2 Verbflexion
 
Auch bei der Flexion der Verben fallen zahlreiche Eigenheiten gegenüber der Standardsprache auf. Beginnen wir beim Hilfszeitwort sein, das im Gabsheimerischen folgendermaßen konjugiert wird:
 
                            isch sain               ich bin
                            duu bisd               du bist
                            er iss                     er ist
                            meer sain              wir sind
                            ehr sain                ihr seid
                            se sain                  sie sind
 
Diese Formen gelten nicht für das gesamte Rheinhessen. Isch sain gilt von Nordostrheinhessen bis in die Nordpfalz, während in der Kreuznacher wie Wormser Gegend isch bin vorherrscht. Auch die Form bisd hören wir nur in der Nordecke von Rheinhessen, wenige Kilometer südlich von Gabsheim beginnt das bischd-Gebiet. Westlich von Alzey hört man dagegen er ess 'er ist' statt er iss. Auch die Pluralformen von sein unterscheiden sich im Rheinhessischen: neben unserem meer (ehr, se) sain findet sich im Südosten Rheinhessens auch sinn 'sind'. Neben dem Hilfzeitwort sein können auch bei den Formen von haben (Infinitiv in Gabsheim: hoon) interessante Eigenheiten bei der Flexion beobachtet werden. Für Gabsheim gilt:
 
                            isch hunn             ich habe
                            duu hosd              du hast
                            er hodd                 er hat
                            meer hunn            wir haben
                            ehr hunn               ihr habt
                            se hunn                sie haben
 
Auch hier sind innerhalb Rheinhessens, wie wir schon im ersten Kapitel beim Infinitiv sahen, Varianten zu beobachten wie isch honn, hann, habb; duu hoschd; er hadd; meer honn, henn; ehr hann, honn, henn, hedd; se honn, henn usw.
   Wie bei den Pluralformen von sein und haben erkennbar, gibt es im Gabsheimerischen, wie in weiten Teilen Rheinhessens, nämlich dem in Kapitel 1 beschriebenen "Hinterland" (s. Karte 2) bei der Konjugation der Verben eine Art "Einheitsplural", denn die zweite Person Plural hat im Gegensatz zum Neuhochdeutschen die Endung -en, z. B. ehr kummen 'ihr kommt', ehr missen 'ihr müßt', ehr blaiwen 'ihr bleibt' usw.
   Einheitlicher ist in gewisser Weise auch die Bildung des Imperativs (Befehlsform), der stets nach dem Infinitiv gebildet wird. In der Einzahl entspricht er dem Stamm des Infinitivs: geb 'gib', nemm 'nimm', ess 'iß', lees 'lies', dreed 'tritt', rf 'wirf' usw., in der Mehrzahl dem Infinitivstamm plus -en, z. B.: Machen doch nedd immer so dumm Zaich! 'Macht doch nicht immer so dummes Zeug!' Kummen doch emool riwwer! 'Kommt doch einmal herüber!' Hallen 's Maul! 'Haltet das Maul!' Sain doch eemool ruhisch! 'Seid doch einmal ruhig!'
   Vereinfacht gegenüber der Standardsprache ist die Zeitenbildung. Das in der Standardsprache bei der Bildung der Vergangenheit häufige Imperfekt, z. B. ich ging, sagte, schrieb, las usw. spielt in der Mundart so gut wie keine Rolle. Jegliche Vergangenheit wird meist durch Perfektbildungen ausgedrückt, z. B.: standardsprachlich 'Es regnete' wird in der Mundart mit 's hodd gereend wiedergegeben. Dabei fällt auf, daß der Rheinhesse das Partizip Perfekt bei einigen Verben nach einem anderen Muster (nämlich dem der konsequenten Anpassung an das System der schwachen Verben) bildet als die Standardsprache. Er sagt z. B. Isch hunn gedenkt 'Ich habe gedacht', Er hodd sisch ferbrennd 'Er hat sich verbrannt', Isch bin gerennd 'Ich bin gerannt' u. a. Auch die Bildung des Futur (Zukunft) mit werden spielt in der Mundart keine Rolle. Statt standardsprachlich Ich werde kommen sagt man in der Mundart einfach Isch kumm. Die futurische Bedeutung ergibt sich einfach aus der Redesituation oder wird im Kontext ausgedrückt, wie z. B.: Isch kumm morje oder: Wann isch ferdisch sain, kumm isch glai usw. Wie man sieht, ist der Mundartsprecher trotz einem geringeren Inventar von Formen doch in der Lage, sich treffend und präzise auszudrücken.
   Entgegen der Standardsprache spielt in der Mundart auch das Partizip Präsens, z. B.: singend, jagend, schreibend so gut wie keine Rolle. Es findet in bescheidenem Rahmen, meist in festen Wendungen, nur als attributives Adjektiv Verwendung, z. B.: die kummend Woch 'die kommende Woche', åm lååfende Meeder 'am laufenden Meter', während Verwendungsweisen des Partizips wie: Er kam singend die Straße herunter in der Mundart nicht möglich sind. Hier müßte die Mundart das Partizip umschreiben, etwa: Er is die Schdroos runnerkumm un hodd gesung.
   Wie schon im Eingangskapitel aufgezeigt, werden Formen des Partizips der Vergangenheit bei starken Verben am Ende ohne -en gebildet: gedrosch, gesung, genumm, geschrebb, gelaaf, verlor usw. Bei einigen Verben finden sich auch Partizip-Formen ohne ge- im Anlaut, z. B.: kumm 'gekommen', funn 'gefunden', troff 'getroffen', gebb 'gegeben', blebb 'geblieben' usw.
 
2.2.3 Wortbildung
 
Die Möglichkeiten der Wortbildung, d. h., wie man in einem Sprachsystem Wörter etwa durch Ableitung, Zusammensetzung oder sonstige regelmäßige Veränderungen bildet, sind zwischen Standardsprache und Mundart nicht grundsätzlich verschieden, dennoch sind einige Besonderheiten zu nennen. Bei der Wortbildung durch Präfixe (Vorsilben) fällt auf, daß einige Präfixe gegenüber der Standardsprache nur selten gebraucht werden, so z. B. die Präfixe zer-, er-, die meist in fer- ihre mundartlichen Entsprechungen finden: ferdrigge 'zerdrücken', ferbreche 'zerbrechen', ferrobbe 'zerrupfen', ferraise 'zerreißen', ferzeele 'erzählen', ferfreere 'erfrieren' usw. Entsprechende Beobachtungen kann man bei Suffixen (Endsilben) zur Ableitung von Wörtern beobachten, manche, wie z. B. -heit, -tum, die in der Standardsprache eine große Rolle spielen, finden sich in der Mundart selten oder gar nicht, während andere Ableitungssuffixe in der Mundart viel häufiger als in der Hochsprache sind. Als Beispiel kann die Ableitung auf -es genannt werden, die in mundartlichen Wörtern wesentlich häufiger ist, z. B.: Bajes, Dabbes, Flabbes, Hoschbes, Labbes, Magges, Maschoores, Rooches, Schlåmbes usw., meist in pejorativer Bedeutung aber auch zur Ableitung von Tätigkeiten, bes. Spielen aus Verben wie z. B. Noolaafsches 'Nachlaufespiel' aus noolaafe oder Higgelsches 'Hüpfspiel' aus higgele 'auf einem Bein hüpfen' usw. Interessant sind auch die vielen Umlautvarianten in Substantiven und Verben wie: Äsch 'Asche', bläschdere 'pflastern', Hännsche 'Handschuh', wäsche 'waschen', ridsche, wörtl. *rütschen 'rutschen', schligge, wörtl. *schlücken 'schlucken', driggele, wörtl. *trückeln 'trocknen' u. a.
 
2.2.4 Syntax
 
Schon in den vorherigen Abschnitten wurden vereinzelt mundartliche Eigenheiten genannt, die in den Bereich der Syntax (Satzlehre) im engeren Sinne gehörten, so z. B. die Möglichkeiten der Umschreibung des Genitivs oder des Partizips der Gegenwart sowie die Markierung des Futurums durch einen entsprechenden Kontext. Wie in gesprochener Sprache überhaupt, sind im mundartlichen Sprechen die Sätze häufig unvollständig, das heißt, es fehlen Satzteile, die man in gepflegter Standardsprache erwarten würde. Oft sind aus dem Kontext heraus Prädikatsteile (bes. Verben der Bewegung) in Gedanken zu ergänzen, z. B.: Er iss heen 'Er ist hin(gegangen)'. Meer sain hååm 'Wir sind heim(gegangen)'. Er iss nigs wie ford 'Er ist nichts wie fort(gelaufen)' usw. Die Satzstruktur ist oft einfacher, die parataktische (nebenordnende) Konstruktion überwiegt vor der hypotaktischen (unterordnenden). So gibt es in der Mundart von Gabsheim auch weit weniger subordinierende Konjunktionen zur Einleitung von Nebensätzen, wohingegen die Standardsprache hier eine breite Palette vorweisen kann, von denen viele in der Mundart nicht verwendet werden wie z. B.: indessen, infolgedessen, insofern, insoweit, während, wohingegen, zumal, nun, falls, obgleich, obwohl, obschon, obzwar, ungeachtet, gleichwohl, wenngleich, wennschon, wiewohl usw.
   Auffällig abweichend von der Standardsprache ist auch der relative Anschluß, standardsprachlich durch der, die, das oder welcher, welche, welches eingeleitet, in der Mundart jedoch mit wuu 'wo': Des Kind, wuu isch gesieh hunn 'Das Kind, das/welches ich gesehen habe'. Der Månn, wuu dord schdehd 'Der Mann, der/welcher dort steht'. Eine weitere Eigenheit der Mundart ist, daß in indirekter Rede kein Konjunktiv (den es in der Mundart gleichwohl gibt) zu stehen braucht: Er hodd gemåånd, dass er kummd 'Er meinte, daß er komme'. Ess hodd gesaad, dass es weggehd 'Es (das Mädchen) sagte, daß es weggehe'.
 
 
2.3 Wortschatz
 
In den vorhergehenden Kapiteln wurde die Eigenheit der Mundart gegenüber der Standardsprache in Lautung, Formenlehre und Syntax in markanten Beispielen vorgestellt. In diesem Abschnitt nun soll das Sondergut des Wortschatzes der rheinhessischen Mundart aus Gabsheim betrachtet werden. Denn wie in allen Mundarten, so existieren in der Gabsheimer Mundart ebenfalls viele interessante und auch sehr alte Wörter, die die Hochsprache nicht aufzuweisen hat. Dieser Sonderwortschatz, der das Ergebnis einer oft jahrhunderte-, ja jahrtausendelangen mündlichen Tradition ist, kann unter verschiedenen Gesichtspunkten in weitere Gruppen unterteilt werden. Ausgehend von der Zweiteilung des sprachlichen Zeichens (hier des Wortes) in Ausdrucks- und Inhaltsseite, könnte man gegenüber der Standardsprache folgende Gruppen herausarbeiten: 1. die Gruppe, in der ein Begriff mit einer anderen Bezeichnung wiedergeben wird als in der Hochsprache (z. B.: der Begriff 'Schwein, das Junge geworfen hat' wird in der Standardsprache mit der Bezeichnung Mutterschwein, in der Mundart von Gabsheim dagegen mit Mugg wiedergegeben). – 2. die Gruppe, in der die mundartliche Bezeichnung einen teilweise oder gänzlich anderen Begriff als die Standardsprache wiedergibt (z. B. die Bezeichnung Schnake bedeutet in der Mundart 'Stubenfliege' in der Standardsprache jedoch 'blutsaugendes Insekt'). – 3. Begriffe, für die zwar die Mundart, nicht aber die Hochsprache eine eigene Bezeichnung hat und die in der Hochsprache nur durch mehrere Wörter präzise umrissen werden können (und umgekehrt) (z. B. higgele, das 'auf einem Bein hüpfen' bezeichnet, wofür es in der Standardsprache kein Wort gibt).
   Ein Vergleich der Mundart mit der Hochsprache innerhalb dieser Gruppen (der den Rahmen dieses Kapitels sprengen würde) könnte zeigen, daß die Meinung, die Mundarten besäßen einen kümmerlichen und undifferenzierten Wortschatz, nicht haltbar ist. In vielen Bereichen, besonders in den Sachgebieten des täglichen Lebens, dem Affektiven oder der bäuerlichen Welt dürfte die Mundart in ihrer Audrucksmöglichkeit und Modulationsfähigkeit der Standardsprache überlegen sein. Dies gilt in anderen Bereichen umgekehrt jedoch von der Standardsprache. Die Mundartsprecher von Gabsheim und die aller Mundarten generell, haben keinen Grund, ihren Sprachgebrauch als minderwertig oder falsch gegenüber der Standardsprache zu empfinden. Wie in früheren Kapiteln schon dargestellt wurde, ist die Mundart kein regelloses Kauderwelsch, sondern sie unterliegt, wie die Standardsprache auch, bestimmten, festgefügten Regeln. Ausnahmen gibt es, jedoch nicht mehr als auch in der Standardsprache.
   Da eine umfassende Darstellung des gesamten mundartlichen Wortschatzes hier nicht geleistet werden kann, möchte ich nur einige sprachgeschichtlich interessante Aspekte des mundartlichen Sonderwortschatzes darstellen: In einem ersten Abschnitt sollen Wörter behandelt werden, die in der Standardsprache nicht vorkommen und offensichtlich schon sehr alt sind. Danach sollen sogenannte Lehnwörter aus dem Lateinischen, Französischen und Hebräischen im Wortschatz der Gabsheimer Mundart herausgestellt werden.
 
2.3.1 Altes Wortgut im mundartlichen Sonderwortschatz
 
Im Vergleich mit in schriftlichen Quellen überlieferten Sprachzeugnissen aus früheren Jahrhunderten kann man feststellen, daß viele mundartliche Wörter in diesen Quellen ihre Entsprechungen finden. Man kann also davon ausgehen, daß die Mundarten in solchen Fällen dieses alte Wortgut weiterüberliefert (und oft lautlich weiterentwickelt) haben. Als wichtige Stufen können wir auf das sogenannte Mittelhochdeutsche (ca. 1050 – 1350) und das Althochdeutsche (ca. 750 – 1050) zurückgreifen. Selbst für die Zeit davor können wir anhand von Parallelen in germanischen oder indogermanischen Sprachen zeitlich weiter zurückgehen und so unter Rückgriff auf schon bekannte Sprachgesetze die Entwicklung eines Mundartwortes mehrere Tausend Jahre zurückverfolgen.
  Ich will dies an einem Beispiel erklären: In Gabsheim nennt man die Stacheln von Ähren Oone. Das Wort ist eine Pluralform, eine Einzahlform ist ungebräuchlich. Durch Rückgriff auf bekannte Lautentwicklungen, hier z. B.: a wird in bestimmten Positionen zu o (vgl. Abend – Oomd, Ameise – Oominz, Ader – Oorer) und Schwund von intervokalischem -g- in der Mundart von Gabsheim (vgl. Wagen – Wåå, Riegel – Riil, fragen – frooe) sowie der Tatsache, daß die Pluralendung -en in Gabsheim nur -e lautet (vgl. Hasen – Hase, Wiesen – Wisse), können wir eine Ausgangsform im Plural *agenen, im Singular *agen erschließen. Genau diese Form finden wir in historischen Sprachstufen des Deutschen, nämlich mittelniederdeutsch agen 'Ährenspitze' und mhd. agen, agene, âne 'Spreu'. Althochdeutsch agana ist die Vorform unseres Wortes und in anderen germanischen Sprachen finden sich Parallelen, so gotisch (eine ausgestorbene germanische Sprache der Völkerwanderungszeit) ahana, schwedisch agn, engl. awn (man beachte die verblüffende lautliche Ähnlichkeit des engl. Wortes [ɔ:n] mit dem Rheinhessischen). Doch auch außerhalb des Germanischen, in indogermanischen Sprachen nämlich, finden sich Entsprechungen: lat. acus 'Granne, Spreu', griechisch achna, achyron, estnisch aggana. Letztlich sind alle Wörter auf eine idg. Wurzel *ak- 'spitz' zurückzuführen. Unser Wort stammt also aus einer Zeit, als die Vorfahren von Germanen, Griechen, Römern, Esten  usw. noch zusammenwohnten und Germanisch, Griechisch, Lateinisch usw. noch gar nicht als einzelne Sprachen existierten. Es ist faszinierend, welche jahrtausendealte Geschichte in diesem beispielhaft ausgewählten Mundartwort aufscheint!
   Nun können nicht für jedes Wort des mundartlichen Sonderwortschatzes derart alte und zahlreiche Verwandte bemüht werden. Ich will mich daher darauf beschränken, eine Reihe von Wörtern zu nennen, bei denen Entsprechungen im Mittelhochdeutschen oder Althochdeutschen zu finden sind. Die Nennung erfolgt in alphabetischer Reihenfolge und mit knappen Bedeutungsangaben, weitere Hinweise, bes. die mhd. oder ahd. Entsprechung, sind aus dem Wörterbuchteil zu entnehmen.
  abreere 'Ähren aussieben', Ährraider 'Ährensieb', Ank 'Genick', Azzel 'Elster', Bååre 'Seitenteil der Scheune', Bånkerd 'kleiner, frecher Kerl', Barch 'verschnittener Eber', blodd 'bloß, nackt', Boordeel 'Kirchenempore', Boose 'Strohballen', brauschisch 'porös, nicht fest', Dååsem 'Sauerteig', Dennrais 'beim Abladen heruntergefallene Getreidekörner', derre 'peinigen, quälen', Derrese 'trockene Hautstelle', Dool 'überdeckter Graben', Eff 'Ulme', Ennkail 'Schwartemagen', fergälschderd 'verstört', ferlesche 'ausdörren und undicht werden', rnsel 'Getreidehohlmaß', Fessele 'Haferrispen', Floss 'Straßenrinne', frååschderlisch 'fürchterlich', gåålere 'herumalbern, lärmen', Gischdere 'Anfälle, Krämpfe', Good 'Patin', Grabbe 'karstartiges Gerät, Haken', gråine 'weinen', Graudschärwer 'Krauthobel', Grebbel 'Gebäck', Grendmåå 'Blattwerk des Mohns', Grobbe 'eiserner Brattopf', Groone 'Wasserhahn', Håålegans 'Schneegans', Haggel 'Kiefernzapfen', heerååchisch 'dunstig', Hewwel 'Hügel', higgele 'auf einem Bein hüpfen', Hinkel 'Huhn', Hord 'Rost zum Lagern von Obst', hozzele 'erschüttern', iirischkaue 'wiederkäuen', Kaud 'Grube', Keez 'Rückenkorb', kiwwele 'enthülsen', Kubber 'Pferd, das hörbar Luft einzieht', kuddele 'Tauschhandel treiben', Kumb 'Getreidemaß', Låådfass 'Transportfaß für Trauben', Laaj 'Schiefertafel', Ladd 'junger Trieb am Weinstock', Ledde 'Tonerde', Liis 'Leuchse', lugg 'locker', Luune 'Radnagel', luure 'lauern', Mååsoome 'Mohnsamen', mullisch 'trüb', Ohm 'Flüssigkeitsmaß', oolezzisch 'einzeln', pezze 'kneifen', Poolheeb 'Haumesser', Råål 'Knüppel', Reff 'Gestell', Resch 'Abhang', Schafdehååi 'Schachtelhalm', schbauze 'speien', Schligg 'Schlund', Schloos 'Regenguß', Schmigg 'Knallkordel der Peitsche', schnabbe 'hinken', Schobb 'Schuppen', Unnere 'Mittagszeit', Weed 'Tümpel', Wingerd 'Weinberg', Wingguff 'Umtrunk'.
   Daneben gibt es Eigenheiten im Wortschatz, in denen eine sprachgeschichtlich alte Nebenform zu einem neuhochdeutschen Wort überliefert wurde wie z. B.: Äärn 'Ernte', Bääsem 'Besen', Borrem 'Boden', Faadem 'Faden', Gunn 'Gunst', Hees 'Hachse', Holler 'Holunder', Kilwe 'Kolben', Lååme 'Lehm', Maiere 'Miere', Milldåå 'Mehltau', Molweroch 'Maulwurf', Oolisch 'Öl', Penning 'Pfennig', Purrasch 'Borretsch', Schånk 'Schrank'.
   Bei einer weiteren Anzahl von mundartlichen Sonderwörtern (z. B. Mugg 'Mutterschwein', Rellwai 'Sperber', Schiwizze 'Haarschuppen' usw.) steht ebenfalls hohes Alter fest, nur finden sich (zufällig) keine frühen Belege in schriftlichen Quellen.
 
2.3.2 Lehnwörter aus fremden Sprachen im mundartlichen Sonderwortschatz
 
Im Laufe ihrer langen Geschichte hat die rheinhessische Mundart aus anderen Sprachen vereinzelt Wörter übernommen, die sich nicht oder nur in anderer Form oder Bedeutung in der Standardsprache vorfinden. Die früheste Schicht stellen dabei die Lehnwörter aus dem Lateinischen und frühen Romanischen dar, wobei einige dieser Wörter schon in der Römerzeit übernommen wurden. Als Beispiele aus dieser Schicht können gelten:
Belle 'Pappel' (unsicher), Brenk 'Bottich', Budd 'Rückentraggefäß für Trauben', Dorsch 'Krautstrunk', embe 'veredeln', Kennel 'Dachrinne', kolde 'Nußschalen entfernen', Koone 'graue Schicht auf dem Wein', Kuld 'Decke', Kummer 'Gurke', Laddwersch 'Zwetschgenmus', Pillwe 'Kissen', Rail 'Zwischenraum zwischen Häusern', Schbais 'Mörtel', schdobbele 'nachlesen'. Aber auch noch in späterer Zeit wurden Wörter aus dem Lateinischen, dem sogenannten Mittellateinischen übernommen, wie z. B.:
Balwierer 'Bartscherer', Faiole 'Märzveilchen', Hoschbes 'sonderbarer Mensch', kobbeleere 'trauen', Mizzsche 'Jäckchen', moldere 'Mahllohn nehmen', Palme 'Buchsbaum', Pedder 'Pate', Porbele 'Impfpusteln'. Später kamen dann Entlehnungen aus dem Französischen hinzu, wobei viele aus der Zeit nach der Französischen Revolution, als Rheinhessen zum französischen Departement Mont Tonnerre gehörte, stammen dürften: adschee 'Abschiedsgruß', allee 'aufmunternder Zuruf', Bagaasch 'verächtl. Gesellschaft', Brulljee 'Liegenschaftsverzeichnis', Buddigg 'altes, verkommenes Gebäude', degadeere 'Stoffe mit Wasserdampf behandeln', Dunsel 'eingebildete, dumme weibliche Person', eschdemeere 'beachten', Greffje 'Gemeindeschreiber', Koor 'Schar', Kaboddhiedsche 'veralteter Frauenhut', Kummärsch 'Umstände', kurand 'tüchtig', labääd 'entkräftet', Labbing 'Kaninchen', malaad 'erschöpft', Migg 'Wagenbremse', Miina 'Katze', Påns 'Bauch', Parablii 'Regenschirm', rm 'Fußgängerweg', Rabbe 'Traubenkamm', Ringgloo 'Reineclaude', Schåndarm 'Gendarm', Schees 'Kutsche', Schillee 'Weste', Schmisettche 'gestärktes Vorhemd',  Waschlawoor 'Waschschüssel'.
   Als letzte nennenswerte Gruppe können die Wörter aus dem Jiddischen und Hebräischen aufgeführt werden: achele 'tüchtig essen', Bååjes 'altes, verkommenes Haus', Buus 'Tuberkulose', jooger 'teuer, riskant', Kaffruus 'sonderbarer Mensch', Kalljesbrief 'Intrigantenbrief', machulle 'bankerott', Magges 'Schläge', Maschoores 'Gehilfe', Massigg 'bösartiges Pferd', meschugge 'verrückt', ooscher 'wirklich', Rewwach 'Profit'; Rooches 'Wut', Schmuus 'haltloses Gerede'.